Yosemite

Goodbye San Francisco. Heute morgen haben wir uns mit dem Aufstehen extra viel Zeit gelassen, da wir erst gegen mittag bei Sausalito noch einen bekannten Aussichtspunkt anfahren wollten, in der Hoffnung, vielleicht doch ein paar Sonnenstrahlen auf die Fotos zu bekommen. Hat leider nichts genützt, auch heute ist neblig noch eine sanfte Untertreibung. Wie man auf den Fotos sieht, haben wir uns, wie immer, den Spaß in keinster Weise verderben lassen, sondern sind wiedermal auf blöde Ideen gekommen (in dem Fall war das ich). Auf solche Ideen können auch nur wir beiden Fotofanatiker kommen. Kristin und Stephan sehen das eher pragmatisch. Ein Beispiel: „Also Kristin, wenn du jetzt einfach mal nen Schritt nach rechts machst, hast du die Laterne nicht im Bild“ – „ Des is mir scheißegal!“. Amateure.

Der Aussichtspunkt war trotzdem ganz hübsch und da wir grundsätzlich das Gefühl haben, einfach viel zu wenige Bilder von der vernebelten Golden Gate Bridge zu haben, wurde wieder munter abgedrückt. Bei den Hüpfbildern offenbarte sich mein jugendliches Turntraining, meine Mitstreiter bewiesen mehr oder weniger nicht vorhandene Sprungkraft (Sebastian), –mut (Kristin) oder –lust (Stephan). Wären die Bilder beeindruckender, wenn ich einfach den Boden wegschneide? Wenn man schonmal da ist, kann man sich die Gegend auch mal anschauen anstatt den direkten Weg zum Highway zurückzufahren, außerdem bestand ja die Gefahr, in der falschen Richtung rauszukommen und für diesen Fehler $6 Brückenmaut zahlen zu müssen. Sausalito ist recht bergig und höher gelegen als San Francisco, bei den tiefhängenden Wolken hatte man demnach fast das Gefühl, geradewegs in den Himmel reinzufahren. Da wollte ich eigentlich noch nicht hin. Hinter der nächsten Biegung sah die Landschaft dann schon fast irisch aus. Nett auch der steile, einspurige Tunnel. Was ich noch nicht verstanden habe ist, warum Amerikaner in Tunneln grundsätzlich hupen. Wir rätseln da alle noch dran. Licht an? – check. Maximal erlaubte Geschwindigkeit? – check check. Kanns mir nicht erklären. Vielleicht lieben sie einfach das hallende Geräusch der Hupe im Tunnel… Ein Schild mit der Aufschrift „Rock Slide Area“ (Achtung Steinschlag) kommentierte Sebastian mit den Worten „Super Fun Time“. Solang keiner runterpurzelt kann man ja Witze machen. Kaum hatten wir San Francisco den Rücken gekehrt schien nach wenigen Meilen auch schon wieder die Sonne, der Himmel wurde langsam wieder blau und die Temperatur kletterte stetig auf um die 30°C. Lang dauerte es also nicht bis ich wieder das Schwitzen anfing und die Klimaanlage hochdrehte. Gut dass wir doch noch ein paar klassische Karten dabei haben, das Navi wollte uns nämlich hartnäckig nach San Francisco zurückführen, scheinbar gibt’s da irgendwo ne schnellere Route. Faszinierend fand ich dann wieder die Richmond Bridge, welche nämlich zweistöckig gebaut ist, mit zwei Fahrstreifen in jede Richtung, nur halt eine Richtung oben, eine unten.

Irgendwann ist mir dann leider aufgefallen, dass ich irgendwo meine Reservespeicherkarten verloren habe. Zum Glück nicht die große, nicht unglücklicherweise waren alle Bilder auf der anderen Karte (die dritte hatte ich noch gar nicht benutzt) gesichert und nur für eine der Karten hatte ich irgendwann mal Geld hingelegt (die andere habe ich mit Blut bezahlt ;-)), aber geärgert hat mich das schon sehr und den Tag erstmal mehr vermiest als mir lieb war. Jetzt muss ich entweder im Walmart eine neue Karte kaufen (was ich schon fast gemacht hätte, sie war mir aber zu langsam) oder mit 500 Bildern pro Tag auskommen. Wäre vielleicht auch keine schlechte Übung. Falls ich noch mehr Videos machen will, wäre eine Zweitkarte vielleicht doch sinnvoll. Mehr Reaktionen auf die bereits verfügbaren Videos hatte ich mir ja eigentlich schon erhofft. Möglicherweise wurden ja bei der Aktion die Speicherkarten vom Winde verweht und immerhin war es eine Scheißarbeit die Videos zu drehen, komprimieren und im launsichen Motel-WLAN hochzuladen. Kleiner Seitenhieb.

Um die Stimmung zu heben wurde bei Walmart direkt mal der Twinkies-Vorrat aufgefrischt, die gibt’s auch in Schoko, heißen aber irgendwie anders. Meinen Mitfahrern schmecken die mit Schokolade besser, mir is relativ wurscht, hauptsache schwammig, cremig, süß. Zum Ausgleich haben wir tolle „Diät“-Bonbons, in dem Sinne, dass in manchem Bonbonpapierchen gar keines drin ist. Zuckerfrei sind sie aber auch. Manche halt auch materiefrei. Pfui bäh. Für noch mehr Aufheiterung sorgte der Bananenmuffin, den ich noch vom Frühstück hatte, denn Bananenaromen kann Kristin gar nicht riechen.

Zurück auf den Highway. Vorne bremmst ein Truck, ein zweiter weicht auf den Seitenstreifen aus, alles bremst, RUMS schon haben wir einen Ford in der Stoßstange. In der hinteren zum Glück, also sind wir schonmal definitiv nicht schuld. Und wenn schon, wir sind gegen jeden Scheiß versichert, sogar gegen platte Reifen. Ein Anruf und unsere Probleme lösen sich in nichts auf. Außer in Zeitverlust. Das war auch das einzig wirklich Ärgerliche an dem Zwischenfall. Es ist sowieso erstaunlich, dass wir nicht längst irgendein Autoproblem hatten, bei all dem Metallmüll und Reifenteilen die in Massen die Straßenränder und manchmal eben auch Fahrspuren zieren. Den Ölstand haben wir derweil auch schonmal geprüft, da ist alles in Ordnung, aufs Kühlerwasser haben wir im heißen Californien aber ein Auge. Wir hatten auch Glück, dass der Unfallverursacher offenbar versichert war (ebenfalls Mietwagen) und uns auf den Seitenstreifen folgte. Denn in Amerika braucht man zwar eine Versicherung, um ein Kennzeichen zu bekommen, danach kann man sie aber nach Belieben kündigen, die Unfallfluchtneigung ist in einem solchen Fall also recht hoch, noch dazu wo wir jetzt in einer Gegend mit recht hoher mexikanischer Population waren (zeigte sich auch bei Walmart, wo alles in englisch und spanisch dortstand. Yogurt heißt auch auf spanisch Yogurt. Wieder was gelernt. Der Unfallort lag bei Manteca). Genau deswegen haben wir so eine umfassende Versicherung abgeschlossen.

Der Fahrer des Ford sah auch sichtlich bedröppelt aus, als er das Auto verließ und sich mit gleich 4 Geschädigten konfrontiert sah. Vermutlich hatte er aufs Navi geschaut, dass recht tief an seiner Windschutzscheibe angepappt war. Wir waren aber recht locker und versuchten auch ihn ein wenig aufzumuntern. Polizei gerufen und erstmal eine kalte Pepsi geschlürft, der andere wollte keine, dann die Zeit zum Highwaysonnenbaden genutzt. Wie sich herausstellte, war der Unfallverursacher übrigens, wie könnte es auch anders sein, ein HOLLÄNDER. Das einzige was in dem Bild nicht gepasst hat, war der Ford Kombi, da muss doch mindestens ein Wohnmobil her. Währendessen zogen wir wiedermal alle Aufmerksamkeit auf uns und so bildete sich an unserer absolut unspektakulären Unfallstelle ein nicht unspektakulärer Stau. Von drei Fahrstreifen schien jeder auf den Äußersten kommen zu wollen um ein bisschen zu gaffen. Interessanterweise haben wieder alle auf unser Auto mit dem New Yorker Kennzeichen gestarrt, der unfallverursachende Wagen mit californischem Nummernschild wurde ignoriert. Einfach mal Winken dachte ich mir und die(!) ein oder andere hat immerhin zurückgewunken. Überraschend schnell erschien dann auch der Officer von der Highway Patrol. Officer Schiesser hieß der gut aufgelegte Kollege und als Unterwäscheexperten mussten wir uns alle erstmal ein wenig das Lachen verkneifen. Er konnte dann auch netterweise gleich klären, wie denn jetzt Yosemite, der National Park zu dem wir unterwegs waren, ausgesprochen wird. JOSEMITI, oder, wer sich mit der offiziellen phonetischen Schreibweise leichter tut, [joʊˈsɛməti]. Der Officer war auch sehr gut aufgelegt, „ihr kommt aus Deutschland / Holland? Sehr schön, ihr könnt ja wenigstens englisch, nicht so wie die ganzen Mexikaner hier, mein spanisch ist nämlich fürchterlich“ – „Wie ist denn Ihr deutsch?“ Seine Großmutter konnte wohl deutsch, hat es ihm aber nicht beigebracht. Der Holländer war geständig, sodass der Schaden inspiziert werden konnte. „Wo ist denn da überhaupt der Schaden“ fragte der Officer, er hat ja recht, an sich ists augenscheinlich nur ein kleiner Kratzer, nichtmal ordentlich verdellt ist die Stoßstange. Für amerikanische Verhältnisse sowieso. Was ich hier schon mit Ductape abgeklebte Scheiben und andere fahrende Unfallwägen gesehen habe... Da hätt ich sogar noch ein Beispielfoto von gestern, wo jemand anscheinend mit Vollgas rückwärts in einen Posten gerast ist und so seinen Kofferraum halbiert hat. Am Ford war wenigstens ein bisschen mehr als nur ein verbogenes Nummernschild erkennbar. Den Unfallhergang mussten wir auch nur andeuten, „passiert täglich“ war nur der Kommentar von Herrn Schiesser, die zahlreichen Bremsspuren auf dem Seitenstreifen sprechen Bände (auf dem einen Foto wenigstens andeutungsweise zu erkennen). Als dann alles offizielle geklärt war, haben wir uns noch ein bisschen mit dem Officer unterhalten, er wollte unter anderem wissen wann denn nächstes Jahr der günstigste Monat für seinen Urlaub in Deutschland wäre. Meine Stimmung deutlich heben konnte er letztlich dann, als er mir sagte, dass ich verdammt gutes, akzentfreies englisch sprechen würde und hier vermutlich problemlos einen Job bekommen könnte und dabei viele Mitbewerber ausstechen. Wäre das auch geklärt, falls ich dochmal westwärts auswandern will. Jetzt hat Sebastian auch kein Problem mehr damit, dass ich an seinem englisch rumnörgel. Ist ja jetzt schließlich zertifiziertes Meckern auf hohem Niveau.

Drei Stunden hat uns der Unfall im Zeitplan zurückgeworfen. Auf dem weiteren Weg haben wir die dünn besiedelte Landschaft genossen, die uns von purem gelb (leider Kamera zu spät parat gehabt) langsam wieder grüner werdend über abenteuerliche, selbstverständlich ungesicherte, Bergstraßen langsam Richtung Yosemite National Forest führte. Ungesichert ist eigentlich noch eine Untertreibung, da ist noch nichtmal ein Graben der dich auffangen könnte, es geht einfach schnurstraks bergab. Hauptsache da stehen Kübel mit Kühlerwasser rum, ist ja auch viel wichtiger als Leitplanken. In höheren Lagen wurde die ein oder andere scharfe Kurve doch noch von Leitplanken geziert, Blechstücke an Holzpfosten triffts aber eher, viel aushalten werden die wohl auch nicht.

Schließlich sind wir dann doch nach meilenweiter Fahrt durch den Yosemite National Forest im Yosemite National Park angekommen. Worin da genau der Unterschied besteht, weiß ich nicht, der einzig feststellbare ist, dass der Park Eintritt kostet, der Wald nicht. Schilder, die darauf hinweisen dass die Feuergefahr hier HOCH ist brauchts auch nur in Amerika. Gibt’s das auch in mittel oder niedrig? An der Einfahrt zum Park war um 18 Uhr tatsächlich noch jemand da, der Besuch fiel aber sehr kurz aus, da wir schnell feststellten, dass sämtliche Campingplätze des Parks komplett voll waren. Campingplätze pflasterten aber schon die letzten 20 Meilen des Weges, von daher kein Stress. Bereits beim ersten haben wir ein Plätzchen gefunden, mit $48 deutlich teurer als unsere bisherigen Campingaufenthalte, aber das war ja zu erwarten. Mehr zu bieten hat der Platz aber auch. Klapperschlangen und Bären zum Beispiel, weshalb man auch erstmal einen ganzen Block Hinweise ausgehändigt bekommt, die an sich aber naheliegend sind. Bei Gelegenheit kann ich da ja nochmal durchblättern und die tollsten Hinweise raussuchen. Viel wichtiger ist, dass der Boden hier sandig ist und somit sicherlich deutlich weicher als auf dem letzten Platz, das WLAN am Clubgebäude haben wir auch von Sofas aus genossen, wo es auch Steckdosen gab. Bislang sind auch alle Steckdosen die ich hier benutzt habe eine Krankheit, Stecker kann man so gar nicht nennen, da man sie in die Dose nur einhängen kann, baumeln dann munter rum, man sollte also, besonders einen Fön, nicht zu arg bewegen. Beim Abendessen war ich wiedermal kreativ, nach einem eh schon sehr leckeren Frischkäse-RoastBeef-Käse-Oliven-RoastBeef-Frischkäse Sandwich dachte ich an die angefangenen saure-Sahne-Zwiebel Chips im Auto und den Hinweis, wegen der Bären stark riechende Lebensmittel weder im Zelt noch im Auto zu lassen. Grund genug, die Chips ins Abendessen zu integrieren. Saure Sahne und Frischkäse liegen ja auch nahe beieinander, hat eigentlich nur Kräuterbutter oder Marmelade gefehlt. Naja, vielleicht beim Frühstück. Müll muss man wegen der Bären auch in extra bärengesicherten Abfallbehälter entsorgen, denkt man erst an geruchsabgeschirmte Hightech-Mülleimer darf man dann ernüchtert feststellen, dass es nur hohe Müllcontainer sind, an die Bären aufgrund ihrer Unfähigkeit, Leitern zu erklimmen, nicht herankommen. Na hoffentlich. An den Sanitärhäusern habe ich auch schon einen Bären-Rammschutz ausgemacht.

Das war’s schon für heute, ohne den Unfall hätte ich ja wirklich mal nichts zu schreiben gehabt. Danke, Holländer. Der treibt sich übrigens auch irgendwo hier rum, vielleicht treffen wir ihn ja noch. Wobei, der Park ist riesig. Morgen geht’s weiter nach Fresno und Richtung Santa Barbara, mal sehen wo wir dann absteigen. Sebastian meint übrigens, ich hätte meinen Schreibstil der ersten Einträge verloren, vielleicht erklärt das die wenigen Kommentare. Kritik ist auch erlaubt! Kann aber schon sein, schließlich bin ich in der Regel ziemlich müde wenn ich abends die Berichte schreibe und habe auch nicht besonders viel Zeit da nochmal drüberzugehen und Sachen umzuschreiben. Vielleicht mach ich das mal, wenn ich mich bei Verlagen um eine Veröffentlichung meines Reiseberichts bemühe. Lang genug wird er ja scheinbar ;-)

5 Kommentare:

  1. Darf man fragen, was es mit dem Kuscheltier auf sich hat? Lasst euch nicht von den großen Bären fangen ;-)

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  2. Ja ja immer diese Holländer lol. Bin jetzt schon auf die Bilder aus dem Park gespannt, muss einer der schönsten Nationalparks überhaupt sein. Also Fotomann Gumpert, hau rein ;).

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  3. Da du ja Twinkie-Experte bist, hätt ich eine höchstwissenschaftliche Frage: Laufen die Dinger tatsächlich nie ab???

    Ich fand diesen Eintrag wieder sehr unterhaltsam. In einem Land wo die Wahrscheinlichkeit tausende male geringer is von einem HOLLÄNDER gerammt zu werden als hier in Deutschland, schaff(s)t DU (IHR) es von einem in einen Auffahrunfall verwickelt zu werden. Das nenn ich ganz großes Kino ;) Hoffe der Rest eurer Reise verläuft ohne solche Zwischenfälle.

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  4. Ja wir sind kurz davor Wetten abzuschließen, wieviele Referenznummern über Unfälle und sonstige Schäden wir bis zur Autoabgabe sammeln können. Foto vom Officer folgt noch, des hab ich aufm Handy, durfte ja nicht an meine kamera, da wir hinter der Leitplanke bleiben mussten...

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  5. Schön, dass ihr mir auch was von der Landschaft zeigt, aber der Affe darf wohl nix sehn??
    Und - mein Gruppenbild fehlt noch immer...

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